Grille ist letzter Governor des deutsch-österrei-chischen Distrikts 73. Ihm fällt die schwere Aufgabe zu, die hoffnungsvoll begonnene Existenz von Rotary Deutschland am 15. Oktober 1937 einem staatlichen Verbot zuvorkommend „freiwillig durch Selbstauflösung“ der Clubs zu beenden.

Grilles ehrgeiziger Werdegang führt nach dem Studium der Rechtswissenschaften, Promotion und Referendarzeit zum Assessor der Landesverwaltung. Darauf folgend schlägt er unterbrochen durch eine mehrfach ordensdekorierte Kriegsteilnahme die Beamtenlaufbahn im Königreich Sachsen ein. Seine zweifelsohne erfolgreiche Beamtenkarriere verläuft über Leitungsfunktionen als Justizrat, königlich sächsischer Amtshauptmann in Meißen, wo er selbst ambitionierter Maler und Kunstsammler den Kunstverein gründet, schließlich Polizeipräsident in Dresden wo er 1922 wegen Vorenthaltung von Freicorpsnachrichten entlassen wird bis zum Richter und folgend zum Direktor am Oberverwaltungsgericht Dresden.

1928 gehört Grille zu den Gründungsmitgliedern des beachtliche 50 Mitglieder umfassenden RC Dresden bis 1931. Zum 1. Februar 1931 wird er zum Amtshauptmann (Regierungspräsident) von Chemnitz berufen und wechselt in den dortigen Rotary Club, welchem er 1935/36 als Präsident vorsteht und bis zu seinem Ruhestand 1936 angehört.

Im Mai 1933 beantragt er die NSDAP-Mitgliedschaft, die ihm bemerkenswerter Weise trotz Aufnahmesperre unter der PG-Nummer 2.410.949 in Chemnitz zum 1. Mai 1933 verliehen wird. Gleichzeitig ist er Mitglied des nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes.

Nach seiner Pensionierung siedelt er nach Berlin um und wird Anfang 1936 bis zur Clubauflösung Mitglied des RC Berlin. Im Mai 1936 wird er auf der Distriktkonferenz in Salzburg zum Governor für das rotarische Jahr 1937/38 gewählt.

Zu Beginn des Jahres 1937 gibt es ein noch zuversichtliches deutsches rotarisches Clubleben. Zum Amtsantritt Grilles ändert sich die Situation schlagartig. Führende Nationalsozialisten haben erkannt, dass rotarische Prinzipien trotz vielfältiger Anpassungsversuche deutscher Rotarier für die Gleichschaltung ungeeignet sind. Dem erfahrenen Verwaltungsjuristen Grille fehlt es an Weitsicht, die unvermeidbare Entwicklung realistisch einzuschätzen. Er verfasst sogar noch eine selbst aus eigenen Reihen kritisierte programmatische Ver-pflichtungserklärung an Reichsinnenminister Frick.

Treuebekenntnis zum Führer
Judenfreiheit aller Rotary Clubs
Erfüllung aller Wünsche der NS-Partei
Ehrenvorsitz für einen exponierten Nationalsozialisten
permanente Berichterstattung an die oberste Parteiführung

Grille besitzt nicht das erforderliche autonome Gespür, Rotary Deutschland vor einer Selbstverleugnung zu bewahren. Rotary kann dem Druck der Nationalsozialisten nicht Stand halten. Eine von Grille einberufene Distriktversammlung nach Berlin beschließt, die deutschen Rotary Clubs aufzulösen. Grille übergibt alle Archivunterlagen Rotarys an die Gestapo.

Wegen des drohenden Einmarsches der Russen ver-lassen die Grilles Berlin und verbringen ihre letzten Lebensjahre in München.

Dr. jur. Hugo Grille