Alfred Ries (1897-1967) war seit der Gründung 1931 bis 1934 Mitglied des RC Bremen, hatte die Klassifikation „Propaganda“ und war Klubmeister bis zu seinem Ausscheiden; 1951 wurde er Gründungsmitglied des neugebildeten Clubs.

Ries stammte aus einer Bremer deutsch-jüdischen Familie, sein Vater war Geschäftsführer einer Viehmarktbank. Nach dem Besuch der Realschule begann er eine Ausbildung als Im- und Exportkaufmann. Im Ersten Weltkrieg diente Ries als mehrfach ausgezeichneter Kriegsfreiwilliger im Asienkorps vor allem in der Türkei, in Syrien und Palästina. Nach seiner Rückkehr nach Bremen wurde er Abteilungsleiter zunächst der Deutschen Tabaksgesellschaft, dann ab 1922 der Außenhandelsfirma Köper, Docke & Co.. 1923 heiratete er; er wurde Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei.

Sportlich vielseitig, doch besonders an Fußball interessiert, wurde er früh Mitglied des Fußballvereins Werder und schon als Jugendlicher zweiter Schriftführer in dessen Vorstand. Seit 1923 als Vorsitzender (das Amt bekleidete er erneut 1926/27 und 1929 bis 1931), 1925 als Leiter der Fußballabteilung, nahm er wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung des Vereins, insbesondere dessen Umzug in das (seit 1930 so genannte) Weserstadion und den Ausbau um Schwimmbad und Tennisplätze; zusätzlich übernahm er Vorstandsfunktionen im Norddeutschen Fußballverband.

Sein beruflicher Aufstieg beschleunigte sich 1925 mit dem Wechsel zum 1906 von Ludwig Roselius gegründeten Bremer Unternehmen Kaffee-HAG, das als erstes weltweit koffeinfreien Kaffee herstellte. Er leitete zunächst mehrere norddeutsche Verkaufsbezirke, wurde 1927 Werbeleiter und schließlich Handelsbevollmächtigter. 1931 übernahm er die Leitung der von Roselius finanzierten Werkschau „Böttcherstraße“, einem von Worpsweder Künstlern gestalteten Gesamtkunstwerk. Die Übernahme der „Böttcherstraße“ verlangte seine ganze Aufmerksamkeit, den Vorsitz des SV Werder Bremen gab er deshalb auf.

Vielleicht auf Vorschlag von Ludwig Roselius‘ Bruder Friedrich, einem Gründungsmitglied des RC Bremen und dessen erstem Präsidenten, wurde Ries schon im Alter von nur 32 Jahren das jüngste Mitglied. Er wurde als Gründungsmitglied Klubmeister, zählte zu den engagiertesten Rotariern und nahm bis Februar 1933 an nahezu allen Meetings teil.

Im November 1932 zog Ries nach München, um die Generalvertretung von Kaffee-HAG für Süddeutschland zu übernehmen. War schon die „Böttcherstraße“ von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert worden, so geriet Ries nach der „Machtergreifung“ auch aufgrund seiner jüdischen Abstammung unter Druck und musste im Herbst 1933 seine Aufgabe in München aufgeben. Er wechselte zunächst für einige Monate zur Kaffee HAG in die Tschechoslowakei und wurde im Januar 1934 Direktor des jugoslawischen Zweiges des Unternehmens. Sein Austritt aus dem RC Bremen wurde im Januar 1934 verzeichnet, offiziell wegen seines Umzugs nach Zagreb. Es gehört zu den Ambivalenzen jener Jahre, dass er – aus religiösen wie politischen Gründen unter dem Nationalsozialismus gefährdet – von seinem Arbeitgeber unterstützt wurde, der Inhaber dieses Unternehmens, Roselius, aber durchaus mit dem System sympathisierte.

1935 wurde Ries die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach der Liquidation von Kaffee HAG in Jugoslawien übernahm er die Generalvertretung einiger deutscher und ausländischer Firmen für Osteuropa und wurde Direktor der neu gegründeten Optima AG. Im Oktober 1940 wurde er für ein halbes Jahr interniert und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im April 1941 schließlich von der Gestapo über drei Monate inhaftiert. Durch eine spektakuläre Flucht entkam er der Deportation und lebte bis Kriegsende im Untergrund. Noch nicht abschließend geklärt sind Hinweise, dass Ries mit der militärischen Abwehr, dem Geheimdienst von Admiral Canaris, zusammenarbeitete. Seine Eltern wurden im Juli 1942 in das Lager Theresienstadt deportiert und dort wenige Monate später ermordet; seine beiden Brüder konnten in die USA emigrieren.

Im Oktober 1946 kehrte Ries nach Bremen zurück und wurde im Januar 1947 von Bürgermeister Wilhelm Kaisen mit dem Aufbau und der Leitung eines Außenhandelskontors der Stadt betraut. Von 1947 bis 1951 war er erneut Präsident des SV Werder Bremen, seit 1951 Leiter der Deutschen Olympischen Gesellschaft in Bremen und seit 1952 Vizepräsident des Deutschen Fußballbundes und des Deutschen Sportbundes. Am Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Bremen war er maßgeblich beteiligt.

1953 wechselte Ries – möglicherweise durch Vermittlung des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, seines Parteifreundes aus der Weimarer Zeit - in den diplomatischen Dienst, ließ seine ehrenamtlichen Engagements als Sportfunktionär ruhen und übernahm nach kurzer Einarbeitung die Leitung zunächst der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Belgrad, ab 1957 der des Generalkonsulates in Kalkutta. Auch im Auswärtigen Amt machte er rasch Karriere und wurde 1959 Botschafter in Monrovia/Liberia.

Während seiner Dienstzeit im Auswärtigen Amt hatte er seine ehrenamtlichen Aufgaben als Sportfunktionär ruhen lassen, blieb aber dem SV Werder als Ehrenvorsitzender verbunden. Nach seiner Pensionierung 1962 übernahm er 1963 wieder das Amt des Vorsitzenden, führte den SV Werder in die Bundesliga und zur ersten Deutschen Meisterschaft 1965. Ries wurde 1951 wieder Mitglied des neugegründeten Bremer Clubs.

© empfohlene Zitierweise: Hermann Schäfer / Martin Wörner / Oliver Werner, „Alfred Louis Ries“, in: Rotary unter dem Nationalsozialismus. Digitales Gedenkbuch diskriminierter Rotarier [Onlinefassung Stand Oktober 2021]
https://memorial-rotary.de/members/1029